Epipactis palustris - Sumpf-Stendelwurz

 

Orchideen in der Eifel – Floristisch bemerkenswerte heimische Schönheiten

Sogar in Sonderaktionen findet man sie bei unverdächtigen Discountern zu überschaubaren Preisen. Praktisch unabhängig von den Jahreszeiten begegnet man „exotischen“ Angeboten, so dass Orchideen von (ursprünglich) weltweiten Herkunftsorten uns sehr vertraut erscheinen, wie beispielsweise auch bei den Südfrüchten, über deren Herkunft kaum mehr nachgedacht wird.
Aber es gibt sie noch, die „wilden“ Orchideen aus heimischen Regionen, wie z. B. in der Eifel. Hier mit dem höchsten Artenreichtum in Nordrhein-Westfalen (NRW) von mehr als 30 verschieden Arten. Nach Angaben AHO-NRW (AHO steht für „Arbeitskreis Heimischer Orchideen“) wurden sogar 32 verschiedene Arten in einem einzigen Quadranten eines Meßtischblattes (Topographische Karte 5605 von Stadtkyll/Eifel) im Grenzbereich Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz (RLP) kartiert (Quelle 1). Schaut man genauer in diese Region, dann stellt man fest, dass dieser Quadrant in der sogenannten Kalkeifel beheimatet ist.

Wie kam der Kalk in die Eifel? - Erdgeschichte

Im erdzeitlichen Devon war die Eifel noch keine Landmasse. Sie lag südlich des Äquators und wurde von einem Meer bedeckt. Sedimentationen von benachbarten Kontinenten bestimmen heute noch den geologischen Aufbau der Eifel. Das weit verbreitete Unterdevon (vor ca. 419-393 Mio. Jahren) wird von Sandsteinen und Schiefern u.ä. geprägt. Überdeckt werden diese mit Kalksteinen, dolomitisierten Kalken und Kalkmergeln von ehemaligen Riffen aus dem Mitteldevon (vor ca. 393 – 383 Mio. Jahren). Diese basischen Kalkgesteine haben sich bis heute in zehn Kalkmulden der Eifel erhalten, und zwar auf einer Breite von ca. 35 km in einem von Süd nach Nord erstreckenden Senkungsgebiet (Eifeler Nord-Süd-Zone). Die jeweils in Südwest-Nordost Richtung gelagerten Kalkmulden werden regional als Kalkeifel bezeichnet. Diese Ausrichtung wurde geprägt während des Variszikum. Nördlich wie südlich der Kalkeifel finden sich ergänzend zu den devonischen Kalkgebieten erdzeitlich jüngere Muschelkalk-Ablagerungen („Muschelkalk-Kuppen“) aus der Trias (vor ca. 251 – 201 Mio. Jahren). Im Südwestteil der Eifel schließen sich noch die Kalkmergelgebiete („Scharren“) aus dem Keuper (Trias) an.

Böden bilden Voraussetzungen

Aus diesen geologischen Voraussetzungen resultieren die heutigen flachbödigen kargen kalkhaltigen (basischen) Böden der heutigen Kalktriften (Trift = Viehtrieb). Einen Einblick in die Alendorfer Kalktriften gibt u.a. das Bugazin Band 4 „Feuer der Eifel“ (Quelle 3). Durch die eingeschränkten landwirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten, Viehbeweidung ließ keinen hohen Bewuchs aufkommen, entstand eine Kulturlandschaft mit Kalk-Halbtrockenrasen (Mesobrometen) mit einem mehr oder weniger starken Wacholderbewuchs, der bei Beweidung vom Vieh gemieden wird (Bild 1). Diese Halbtrockenrasen (Magerrasen) bieten einer spezialisierten Pflanzengesellschaft einen Lebensraum, wie den Orchideen (Bild 2) sowie beispielsweise der Gewöhnlichen Küchenschelle, der Herbstzeitlose und den Enzianen, um nur wenige beeindruckender Pflanzen zu nennen. Aber auch der ambitioniert botanisch Kundige kommt auf seine Kosten.

Toskanisch anmutende Wacholderheiden in Spätnachmittagsstimmung
Bild 1: Toskanisch anmutende Wacholderheiden in Spätnachmittagsstimmung © Alfred Graff
Bild 2: Manns-Knabenkräuter (Orchis mascula) auf Kalk-Halbtrockenrasen © Alfred Graff

Orchideen und ihre Standorte

Orchideen trifft man an in den offenen Kalkgebieten (Bild 3), in Nasswiesen und Sumpfgebieten (“Kalksümpfe“) (Bild 4), an Wald- und Gebüschsäumen (Bild 5) sowie in eher lichten bis schattigen Kalk-Buchenwäldern (Bild 6). Aber auch außerhalb der Kalkgebiete, auf unterdevonischen „sauren“ Silikatböden, wie z.B. auf Borstgraswiesen, sind mit geringerer Artenvielfalt auch borstgrastypische Arten zu finden. Neben dem weitverbreiteten anspruchslosen Gefleckten Knabenkraut (Bild 7) blüht an wenigen Standorten die unscheinbare, stark gefährdete Weiße Höswurz (Bild 8), die in NRW fast nur noch in der Eifel vorkommt, in RLP aber praktisch ausgestorben ist (Quelle 1,2).

Bild 3: Blüte der Bienen-Ragwurz (Ophrys apifera) (links) und Blüte des Helm-Knabenkrautes (Orchis militaris) (rechts) © Alfred Graff
 
Bild 4: Massenvorkommen des Breitblättrigen Knabenkrautes auf einer Nasswiese (links), Blüte des Breitblättrigen Knabenkrautes (Dactylorhiza majalis) (Mitte) und Blüte der Sumpf-Stendelwurz (Epipactis palustris) (rechts) © Alfred Graff 

 

Bild 5: Blüte des Purpur-Knabenkrautes (Orchis purpurea) (links) und Blüte der Grünlichen Waldhyazinthe (Platanthera chlorantha) (rechts) © Alfred Graff 

 

Bild 6: Blüte des Bleichen Waldvögeleins (Cephalanthera damasonium) (links) und der Blattlose Widerbart (Epipogium aphyllum) (Mitte und rechts) © Alfred Graff 

 

Bild 7: Borstgraswiese mit Gefleckem Knabenkraut (links) und Blüte des Gefleckten Knabenkrautes (Dactylorhiza maculata) (rechts) © Alfred Graff 

 

Bild 8: Weiße Höswurz (Pseudorchis albida) © Alfred Graff 

 

Bild 9: Blüte der Fliegen-Ragwurz (Ophrys insectifera) © Alfred Graff 

 

Auf den Kalk-Halbtrockenrasen in der Eifel trifft man auf eine besondere, unerwartet aussehende Orchideen-Gattung, den Ragwurz-Arten. Sie fallen auf wegen ihren intensiven Farben und ihrer bizarren Blütenform, die dem Aussehen von Insekten ähneln. Sie werden deshalb auch manchmal Insekten-Täuschblumen genannt. Tatsächlich täuschen diese Blüten (Blütenlippen) Insektenweibchen vor und sind darüber hinaus mit Sexual-Duftstoffen ausgestattet, die bestimmte Insektenmännchen, z. B. die Grabwespe bei der Fliegen-Ragwurz (Bild 9), anlocken mit dem Ziel einer Bestäubung durch das Insektenmännchen.

Sensible Schönheiten – Notwendiger Schutz

Wenige heimische Orchideenarten, wie z.B. der Breitblättrige Stendelwurz (Bild 10), sind so robust, dass sie an allerlei Standorten - selbst in städtischer Umgebung, wie z.B. auch auf Friedhöfen - keine gefährdete Seltenheit sind. Die große Artenvielfalt zeigt sich jedoch nur in Lebensräumen, die von menschlichen Eingriffen/Einträgen verschont bleiben und die auch den klimatischen Erfordernissen genügen. Diese oft kleinteiligen Gebiete gibt es noch in einer ansehnlichen, häufig unter Schutz stehenden Anzahl in der Eifel. Jedoch zeigt sich die unter Schutzstellung als unbedingt notwendig, da die Lebensräume für Orchideen im Laufe der Jahre immer kleiner geworden und besonders sensible Arten vom Aussterben bedroht sind und damit die Artenvielfalt gefährdet ist. Schafbeweidung oder Mahd nach der Blütezeit der Orchideen sind in der Regel vorteilhaft für den Fortbestand auf den Halbtrockenrasen. Auch der Rückschnitt von Sträuchern und die Entnahme von Bäumen sind wirkungsvolle Maßnahmen zur Pflege und Erhalt dieser von Menschen über Jahrhunderte geprägten Kulturlandschaft. So konnten in den letzten Jahren auch Bestandserfolge in der Eifel bei bestimmten Orchideenarten, wie zum Beispiel dem Brand-Knabenkraut (s. Bild 11) verbucht werden. Nach Kartierungen des AHO ist das Brand-Knabenkraut in NRW nur noch in der Eifel (Quelle 1) anzutreffen.
Bedauernswerterweise kommt es auch zu illegalen Entnahmen von Orchideen aus Schutzgebieten. Bei diesen Straftaten wird nicht bedacht oder wider besseres Wissen gehandelt, dass die meisten heimischen Orchideen in Symbiose mit einem empfindlichen Wurzelpilz stehen, der so sensibel ist, dass er einen Lebensraumwechsel in der Regel nicht überlebt und infolgedessen die Orchidee ebenfalls keine Überlebenschance hat. Bild 12 zeigt einen illegalen Ausgrabungsversuch eines Ohnsporn im Gelände. Hier reichten die Kenntnisse offenbar nicht einmal aus, um die Orchidee unversehrt zu entnehmen. Bild 13 zeigt den unvergleichlichen Ohnsporn in seiner natürlichen Umgebung. Die unerwartet figürliche Ausprägung seiner Blüte hat ebenfalls zu der Bezeichnung „Hängender Mensch“ geführt.

Bild 10: Blüte der Breitblättrigen Stendelwurz (Epipactis helleborine) © Alfred Graff 

 

Bild 11: Brandknabenkraut (Orchis ustulata) © Alfred Graff

 

Bild 12: Missglückte illegale Orchideenentnahme (Orchis anthropophora) © Alfred Graff

 

Bild 13: Ohnsporn, „Hängender Mensch“ (Orchis anthropophora) © Alfred Graff 

 

Nicht nur wegen ihrer außerordentlichen Schönheit sondern auch wegen der nachgewiesenen Seltenheit einer Reihe von Orchideenarten kommen immer mehr Orchideenfreund*innen zur Blütezeit in die Eifel. Auch das birgt Probleme, wenn Wege verlassen werden und die Magerrasen unbedacht bzw. aus Unkenntnis betreten werden. Viele Orchideen lassen sich vom Wegesrand betrachten und fotografieren und die meisten Besucher halten sich an die Regeln in den geschützten Gebieten.

Ist auch Ihr Interesse für diese Schönheiten der Eifel geweckt, dann wäre eine Teilnahme an einer qualifizierten Führung durch die Orchideengebiete ein besonderes Naturerlebnis für Sie.

Die Eifel überdeckt Teile von zwei Bundesländern, nämlich NRW und RLP. Die „Arbeitskreise Heimischer Orchideen“ sind nach Bundesländern organisiert und infolgedessen erscheinen deren Publikationen mit Kartierungen usw. für die jeweiligen Bundesländer getrennt. Nachfolgend seien die beiden aktuellsten Buch-Publikationen genannt auf die in diesem Beitrag Bezug genommen wird:
(Quelle 1) Arbeitskreis Heimische Orchideen Nordrhein-Westfalen (2018): Die Orchideen Nordrhein-Westfalens. LWL-Museum für Naturkunde, Münster.
(Quelle 2) Arbeitskreis Heimische Orchideen Rheinland-Pfalz/Saarland e.V. [Hrsg.] (2021): Die wildwachsenden Orchideen in Rheinland-Pfalz und im Saarland. - Langenfeld.
(Quelle 3) Endlich Eifel, Das Bugazin (2021): Feuer der Eifel, Band 4, S.126 ff, Eifeler Literaturverlag.

 

Alfred Graff
Dipl. Physiker
Dozent an Volkshochschulen in NRW, zertifizierter Gästeführer Eifel (IHK) und zertifizierter Natur- und Geoparkführer Vulkaneifel
Infos zu geführten Touren des Autors

 

 

 

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