Bohrplattform auf dem Holzmaar

Ablagerungen in den MaarseenDie Augen der Eifel blicken weit zurück in die Vergangenheit

Ablagerungen in den Maarseen der Vulkaneifel sind ein international anerkanntes Klimaarchiv

Wie ein aufgeschlagenes Buch berichten die jahreszeitlich geschichteten Ablagerungen aus dem Holzmaar über viele Jahrtausende unserer Klimageschichte (Abb. 1). Darüber hinaus wurden auch menschliche Aktivtäten aus längst vergangenen Zeiten in dieser jungen Vulkanlandschaft archiviert. Und sogar vulkanische Aschelagen bezeugen den Aufstieg von Magma aus den Tiefen des Erdinneren. Aber keine Angst: der letzte Ausbruch – das Ulmener Maar – ist nur geologisch gesehen jung. Die Eruption erfolgte bereits vor 11.000 Jahren.

Die in den Tiefen des Holzmaars überlieferten „Seiten“ dieser einzigartigen Ablagerungen sind sozusagen „doppelseitig bedruckt“ und bestehen aus einer hellen unteren und einer dunklen oberen Lage. Im Frühjahr und Sommer sinken vor allem die im See massenhaft auftretenden Kieselalgen (Diatomeen) durch 20 m Wassersäule hindurch bis auf den Grund des Sees, um dort als helle Lage der Jahresschichtung abgelagert zu werden. Im Herbst und Winter folgen dann Pflanzenreste wie zum Beispiel Blätter, die aus dem Einzugsgebiet in den See hereingeweht sowie Bodenabtrag aus Sand- und Tonpartikeln, die mit dem Zufluss in den See eingeschwemmt wurden. Diese Mischung bildet die dunkle Lage der Jahresschichtung. Zusammengenommen ergibt sich ein im jahreszeitlichen Rhythmus abgelagertes Lagenpaar von durchschnittlich 0,7 mm Dicke, das wissenschaftlich als Warve (Abb. 1) bezeichnet wird.

Nachdem die jahreszeitlich geschichteten oder warvierten Ablagerungen von einer schwimmenden Plattform (Abb. 2) aus dem Boden des Sees herausgestochen worden sind, werden sie nach Präparation im Labor unter dem Mikroskop ausgewertet. Die Zählungen machen dann ein genaues Altersmodell für dieses natürliche Archiv verfügbar – die Warvenchronologie. Sie liefert mit ihrer präzisen und kontinuierlichen Chronologie das zeitliche Grundgerüst für alle weiteren Untersuchungen. Das zugrunde liegende Zuwachsprinzip ist vergleichbar mit der Zählung von Baumringen, das in der Dendrochronologie zur Anwendung kommt.
Obwohl die Jahresschichten relativ dünn sind, können aus ihnen limnische Mikroorganismen wie unter anderem Kieselalgen (Diatomeen), Muschelkrebse (Ostrakoden) und Zuckmückenlarven (Chironomiden) herauspräpariert und zur Rekonstruktion vergangener Gewässerzustände herangezogen werden. Darüber hinaus liefert der im Sediment enthaltene Blütenstaub (Pollen) Erkenntnisse über die Pflanzenwelt in der unmittelbaren Umgebung des Holzmaars sowie über menschliche Aktivitäten im Einzugsgebiet des Sees wie Waldrodungen oder Getreideanbau. Schließlich ermöglichen geochemische Analysen Einblicke zum Beispiel in die Sauerstoffverfügbarkeit am Seegrund, über Bodenerosionsprozesse im Einzugsgebiet oder über Kontamination mit Schwermetallen.
Vor 35 Jahren lieferten erste Untersuchungen der jahreszeitlich geschichteten Maarsedimente Rekonstruktionen auf Zeitskalen in Größenordnungen von Jahrhunderten bis zu Jahrzehnten. Heute stoßen moderne berührungslose Abtastverfahren mit ihren hohen räumlichen Auflösungen von unter einem Zehntel Millimeter in zeitliche Bereiche vor, die sogar saisonale Aussagen bei den Analysen ermöglichen. Solche Untersuchungen werden zurzeit an der Universität Bremen durchgeführt und versprechen noch viele spannende wissenschaftliche Erkenntnisse zur Umwelt- und Klimageschichte dieser einzigartigen Vulkanlandschaft.
Bernd Zolitschka (GEOPOLAR, Institut für Geographie, Fachbereich 8, Universität Bremen)


Wie die Zeilen eines offenen Buchs dokumentieren die im Foto deutlich erkennbaren Jahresschichten dieses Sedimentkerns aus dem Holzmaar vergangene Ereignisse. Der dargestellte Abschnitt stammt aus der frühen Eisenzeit (ca. 800 bis 600 Jahre v. Chr.) und zeigt neben den sehr gut erhaltenen Warven eine helle Ereignislage (zwischen 92 und 93 cm), die das Ergebnis zunehmender Waldrodung und damit verbundener Bodenerosion ist. Die urgeschichtliche Periode der Eisenzeit ist für die Herstellung und Nutzung von Geräten aus Eisen bekannt. Einerseits war Holzkohle zur Eisenerzeugung erforderlich, andererseits beschleunigte der Einsatz der harten Eisenwerkzeuge die Waldrodung genauso wie den Ackerbau. Zusammengenommen führte beides zu intensiven Veränderungen der Landnutzung und beschleunigte somit die Bodenerosionsprozesse. Dieser Vorgang wird durch die abgebildete helle Ereignislage bezeugt (Maßstab in cm; © Foto: GEOPOLAR, Institut für Geographie, Universität Bremen).


Die Bohrplattform schwimmt auf dem Holzmaar und die Wissenschaftler*innen sind bereit, Sedimentkerne aus einer Wassertiefe von 20 m zu bergen (© GEOPOLAR, Institut für Geographie, Universität Bremen).

Prof. Dr. Bernd Zolitschka
Professor of Physical Geography
Head of GEOPOLAR

University of Bremen
Institute of Geography
Faculty 08 I Social Sciences
FVG, room M-2120
Celsiusstrasse 2
28359 Bremen

 

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